Methoden und Verfahren
Elektronenspinresonanz (EPR)
Die Elektronenspinresonanz (engl. electron paramagnetic resonance, EPR) gehört zusammen mit der bekannteren Kernspinresonanz (engl. nuclear magnetic resonance, NMR) zu den Methoden der magnetischen Resonanzspektroskopie.
Beide Methoden beruhen auf der Ausrichtung magnetischer Dipolmomente (Elektronen- oder Kernspin) in einem äußeren Magnetfeld und der Möglichkeit, durch elektromagnetische Strahlung entsprechender Wellenlänge (Mikrowelle in der EPR, Radiofrequenz in der NMR) zwischen diesen Einstell-Möglichkeiten Übergänge zu induzieren.
Das Resonanzphänomen der magnetischen Resonanz
Beim Anlegen eines statischen Magnetfeldes B0 gibt es für einen Elektronenspin S, der mit einem magnetischen Moment μ = -gμBS verknüpft ist, zwei Einstellmöglichkeiten für die Komponente des magnetischen Moments bezüglich der Richtung des Feldes B0, die sich energetisch um
unterscheiden. μB ist das Bohrsche Magneton und g der molekülspezifische, dimensionslose g-Faktor. In Abhängigkeit vom angelegten Magnetfeld kann man mit senkrecht zu B0 polarisierten Mikrowellen magnetische Dipolübergänge induzieren und dabei den Spin umklappen. Die Resonanzbedingung lautet dann
Eine graphische Veranschaulichung des Resonanzphänomens der magnetischen Resonanz liefert die folgende Abbildung.
Es gibt eine Reihe verschiedener Verfahren innerhalb der EPR (cw und gepulst, zeitaufgelöst, Doppelresonanz-Methoden etc.), von denen im Folgenden diejenigen herausgegriffen werden, die im Rahmen der hier durchgeführten Forschung Verwendung finden.
Transiente EPR
Ein direktes Verfahren zur Beobachtung der Spindynamik und der Elektronenspinpolarisation (ESP) bei der Entstehung gekoppelter Radikalpaare ist die transiente EPR-Spektroskopie. Meßgröße ist die zeitliche Entwicklung der transienten Magnetisierung. Die ESP bestimmt dabei das Vorzeichen (Absorption oder Emission) des EPR-Signals.
transiente Nutationen
Durch die Einwirkung eines plötzlich zugeschalteten, senkrecht zu B0 polarisierten Mikrowellen-Feldes B1 wird ein Nichtgleichgewichtszustand erzeugt. Die Magnetisierung eines Systems von Elektronenspins wird dadurch aus ihrer ursprünglichen Gleichgewichtslage (entlang des stationären Magnetfeldes B0) ausgelenkt. Der Magnetisierungsvektor führt dabei eine Präzessionsbewegung um das effektive Magnetfeld Beff aus. Im Fall der exakten Resonanz ist B1 = Beff und man beobachtet ein mit der Frequenz ω1=γB1 oszillierendes, exponentiell gedämpftes EPR-Signal.
Abbildung: Transiente Nutationen im Vektormodell. Ohne B1-Feld ist die Magnetisierung M des Spinsystems entlang des B0-Feldes ausgerichtet. Ein mit der Frequenz ω in der xy-Ebene um z rotierendes B1-Feld stellt in einem mit ω um z rotierenden Koordinatensystem (x',y',z) ein zeitlich konstantes B1-Feld dar; die Magnetisierung M fürt dann eine Präzessionsbewegung (Nutation) um B1 aus.
Anstelle des plötzlich zugeschalteten Mikrowellenfeldes kann man die paramagnetische Spezies auch (z.B. durch einen Laserepuls) photoinduzieren. Ein Nichtgleichgewichtszustand in der Magnetisierung des Elektronenspins wird dabei durch einen kurzen Laserpuls erzeugt, der das Spinsystem in einem Zustand hoher Spinpolarisation in Gegnewart eines kontinuierlich eingestrahlten Mikrowellenfeldes B1 generiert.
Abbildung: Transiente Nutationen im Vektormodell bei photoinduzierten paramagnetischen Species. Vor dem Laser-Blitz ist keine Magnetisierung M vorhanden. Ein mit der Frequenz ω in der xy-Ebene um z rotierendes B1-Feld stellt in einem mit ω um z rotierenden Koordinatensystem (x',y',z) ein zeitlich konstantes B1-Feld dar; die photoinduzierte Magnetisierung M fürt eine Präzessionsbewegung (Nutation) um B1 aus.
Die makroskopische Magnetisierung führt dann gedämpfte Oszillationen um das effektive Magnetfeld Beff aus. Transiente Nutationen treten nur dann auf, wenn die Mikrowellenfeldstärke B1 groß gegen die inversen Relaxationszeiten ist: ω1 = γB1 « 1/T1,1/T2.

Abbildung: Transiente Nutationen des Pentacen-Kristalls, gemessen im X-Band bei 9.4 GHz.
Das Verfahren eignet sich insbesondere zur Untersuchung der Kurzzeitspindynamik ichtinduzierter Radikalpaare aufgrund der folgenden Eigenschaften:
- Das Verfahren arbeitet im Gegensatz zu gepulsten EPR-Techniken totzeitfrei, da in Gegenwart schwacher Mikrowellenfelder gearbeitet wird und daher kein besonderer Schutz des Signaldetektors notwendig ist.
- Die erreichbare Zeitauflösung ist sehr hoch und beträgt etwa 10 ns. Die transiente EPR-Spektroskopie eigent sich damit zur Detektion sehr hochfrequenter Signalmodulationen (transiente Nutationen, Quantenschwebungen) und ist in der Lage, diese unverfälscht wiederzugeben. Eine Steigerung der apparataiven Auflösung ist jedoch immer mit einer Abnahme der nutzbaren Signalstärke verbunden. Der Einsatz dieser Technik ist daher auf die Detektion stark spinpolarisierter Signale eingesschränkt.
- Die Verwendung kleiner B1-Mikrowellenfeldstärken bewirkt eine schmalbandige Anregung der EPR-Übergänge. Eine destruktive Überlagerung oszillierender Signale aufgrund der Anregung breiter Signalpakete kann somit weitgehend vermieden werden.
- Die Nutationsexperimente zeichnen sich durch einen einfachen Versuchsaufbau aus.
Meßprinzip
Grundsätzlich lassen sich transiente EPR-Spektren mit einem gewöhnlichen cw-Spektrometer ohne große Umbauten messen. Um die Zeitauflösung zu erhöhen, kann man entweder die Modulationsfrequenz erhöhen oder anstelle von Feldmodulation und Lock-In-Verstärker direkt detektieren. Das führt zu einem reduzierten Signal-Rausch-Abstand, so daß praktisch nur spinpolarisierte Spezies detektiert werden können. Außerdem zeigen die Spektren direkt die Absorption/Emission, nicht wie gewöhnlich bei der cw-EPR deren erste Ableitung.
Gewöhnlich wird mit einem Transienten-Rekorder mit der notwendigen Zeitauflösung das EPR-Signal nach dem Lichtblitz bei einer festen Magnetfeld-Position aufgenommen und über wiederholte optische Pump-Zyklen gemittelt. Wird das Magnetfeld innerhalb eines definierten Bereiches schrittweise durchgefahren, erhält man so zweidimensionale transiente EPR-Spektren (vgl. die folgende Abbildung).

Abbildung: Prinzip der Messung bei der transienten EPR: Für jede Position im B-Feld wird eine Zeitkurve aufgenommen und danach das B-Feld verändert. So entsteht ein zweidimensionaler Datensatz (B0, t).
trEPR gekoppelter Radikalpaare
Zur Beschreibung der EPR-Signale transienter, spinpolarisierter Radikalpaare wurde das Modell spinkorrelierter gekoppelter Radikalpaare (CCRP-Mechanismus) entwickelt.
Literatur
- D. Stehlik, C.H. Bock, M.C. Thurnauer
Transient EPR-Spectroscopy of Photoinduced Electronic Spin States in Rigid Matrices
in "Advanced EPR. Applications in Biology and Biochemistry.", A.J. Hoff (Editor), Elsevier (1989), Amsterdam, chapter 11, pp. 371-403.
Theorie gekoppelter Radikalpaare (CCRP)
Die EPR-Signale der u.a. bei den Primärprozessen der Photosynthese, aber auch bei Photolyasen/Cryptochromen auftretenden radikalischen Zwischenstufen lassen sich mit dem Modell spinkorrelierter gekoppelter Radikalpaare (CCRP-Mechanismus) beschreiben.
Im einfachsten Fall eines ungekoppelten Radikalpaares enthält der orientierungsabhängige Hamilton-Operator, der das ungekoppelte Radikalpaar beschreibt, nur die Wechselwirkungsterme der magnetischen Momente der Einzelradikale mit dem äußeren Magnetfeld B0 = (0,0,B0) (Zeeman-Wechselwirkung) und einem inneren Magnetfeld, das durch die magnetischen Momente der Kerne erzeugt wird (HFS-Kopplung).
Im gekoppelten Radikalpaar besteht eine Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten μA und μB der beiden Einzelspins SA und SB. Der Hamilton-Operator muß für ein solches System um Terme für die anisotrope Austauschwechselwirkung und die anisotrope dipolare Kopplung erweitert werden:
Abbildung: Der Spin-Hamilton für ein gekoppeltes Radikalpaar setzt sich zusammen aus den Zeeman-Wechselwirkungen der beiden Spins, der Austausch-Wechselwirkung und der dipolaren Kopplung.
Da alle Eigenfunktionen des Hamilton-Operators zumindest partiell Triplett-Charakter besitzen, gibt es für jede Kernspinkonfiguration vier erlaubte EPR-Übergänge. Das daraus resultierende Termschema mit den vier möglichen EPR-Übergängen ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Die Intensität und die Polarisation der EPR-Linien sind durch das Produkt aus Übergangswahrscheinlichkeit und Besetzungszahldifferenz der beteiligten Zustände festgelegt.
Abbildung: Links: EPR-Termschema eines gekoppelten Radikalpaares. Die Besetzung der einzelnen Energiezustände entspricht einem Triplett-Zustand. Die Strichstärke der eingezeichneten Zustände ist ein Maß für die Besetzungszahl. EPR-Übergänge werden durch Pfeile dargestellt, deren Strichstärke ein Maß für die Übergangswahrscheinlichkeiten sind. Rechts: EPR-Strichspektrum eines spinkorrelierten, gekoppelten Radikalpaares.
Die Besetzung der vier Eigenfunktionen erfolgt bei lichtinduzierten Radikalpaaren meist nicht gemäß einer Boltzmann-Gleichgewichtsverteilung, sondern stark spinpolarisiert. Daher ergibt sich für eine bestimmte Orientierung des Radikalpaares (bezüglich der Achse des Magnetfeldes B0) und für ein eKonfiguration der Kernspins das in der obigen Abbildung (rechts) gezeigte Strichspektrum. Alle Linien sind in erster Näherung gleich intensiv. In den zu ωA und ωB gehördende Signaldupletts ist jeweils eine Linie absorptiv, die andere emissiv polarisiert.
Das EPR-Spektrum von nicht-orientierten Pulverproben ist eine Überlagerung einer Vielzahl solcher Strichspektren für jede mögliche Orientierung des Radikalpaares relativ zu B0. Aufgrund der Auslöschung absorptiver und emissiver Signalanteile erhält man ein charakteristisches Pulverspektrum, das sich nur bei genauer Kenntnis aller magnetischen Wechselwirkungen im Radikalpaar quantitativ beschreiben läßt.
ENDOR
Die Elektron-Kern-Doppelresonanz (engl. electron nuclear double resonance, ENDOR) ist ein wichtiges Verfahren zur direkten Messung der Hyperfein-Wechselwirkung. Hierbei wird ein durch einen eingestrahlten Radiofrequenz-Puls erzeugter Kernspin-Übergang mithilfe der EPR detektiert.
Häufig reicht die Auflösung von EPR-Spektren nicht dazu aus, alle relevanten Parameter des Spin-Hamiltons zu bestimmen und so ein möglichst umfassendes Bild über die Umgebung des Elektronenspins zu erhalten. Ein Hauptgrund dafür ist die große Anzahl von Übergängen in einem Spinsystem, in dem ein Elektronenspin mit mehreren Kernen koppelt. Diese Zahl der Übergänge wächst multiplikativ: Für n Kernspins mit den Spinquantenzahlen Ik ergibt sich die Zahl der erlaubten Elektronenspin-Übergänge ne zu
Geht man anstelle der Elektonenspin-Übergäge zur Betrachtung der Kernspin-Übergänge über, vereinfacht sich die Situation erheblich, da typischerweise jeder Kernspin mit nur einem Elektronenspin signifikant gekoppelt ist. Die Zahl der erlaubten Kernspin-Übergänge nn wächst nur noch additiv mit der Zahl der beobachteten Kernspins:
In Lösungen mittelt sich zudem noch die Kern-Quadrupolwechselwirkung heraus, so daß die Übergänge mI↔mI-1 mit verschiedenen mI entarten. Die Zahl der beobachteten Kernspin-Übergänge sinkt dann weiter auf:
Abbildung: Schema der Energieniveaus für ein S=½, I=½ System mit schwacher (a < 2νI) positiver Hyperfeinkopplung.
Abbildung: Entwicklung der Energieniveaus eines S=½, I=½ Systems mit schwacher Hyperfeinkopplung im magnetischen Feld.
Abbildung: Muster der ENDOR-Spektren für ein S=½, I=½ System mit positiver Hyperfeinkopplung, (oben) im Falle schwacher Kopplung (a < 2νI) und (unten) im Falle starker Kopplung (a > 2νI)
Vorteile von ENDOR
Die Zahl der Linien im Spektrum nimmt (abgesehen von zusätzlichen Quadrupolaufspaltungen für Kerne mit I≥1 im Festkörper) pro Satz äquivalenter Kerne um lediglich ein ENDOR-Linienpaar zu (Gesamtzahl: 2N). Die Liniendichte ist deshalb im ENDOR-Spektrum im allgemeinen um Größenordnungen geringer als im entsprechenden EPR-Spektrum.
ELDOR
Besonders zur Vermessung von Abständen eignet sich die Elektron-Elektron-Doppelresonanz (engl. electron electron double resonance, ELDOR). Dabei wird ein Elektronenübergang angeregt und die Auswirkung auf ein anderes, gekoppeltes Elektron beobachtet.
Kernspin-Resonanz (NMR)
Die Kernspin-Resonanz (engl. nuclear magnetic resonance, NMR) gehört zusammen mit der weniger bekannten Elektronenspin-Resonanz (engl. electron paramagnetic resonance, EPR) zu den Methoden der magnetischen Resonanz.
Beide Methoden beruhen auf der Ausrichtung des Spins (Kern- oder Elektronenspin) in einem äußeren Magnetfeld und der Möglichkeit, durch elektromagnetische Strahlung entsprechender Wellenlänge (Radiofrequenz in der NMR, Mikrowelle in der EPR) zwischen diesen Einstell-Möglichkeiten Übergänge zu induzieren.
Das Resonanzphänomen der magnetischen Resonanz
Beim Anlegen eines statischen Magnetfeldes B0 gibt es für einen Kernspin I, der mit einem magnetischen Moment μ = -gμBI verknüpft ist, zwei Einstellmöglichkeiten für die Komponente des magnetischen Moments bezüglich der Richtung des Feldes B0, die sich energetisch um
unterscheiden. μB ist das Bohrsche Magneton und g der molekülspezifische, dimensionslose g-Faktor. In Abhängigkeit vom angelegten Magnetfeld kann man mit senkrecht zu B0 polarisierten Mikrowellen magnetische Dipolübergänge induzieren und dabei den Spin umklappen. Die Resonanzbedingung lautet dann
Eine graphische Veranschaulichung des Resonanzphänomens der magnetischen Resonanz liefert die folgende Abbildung.
Transiente Absorptionsspektroskopie (Blitzlichtphotolyse)
Die transiente Adsorptionsspektroskopie (TA) untersucht metastabile Zustände der Materie. Das Messprinzip beruht auf der Blitzlichtphotolyse nach Norrish und Porter (1949). Ein Lichtblitz von kurzer Dauer und hoher Intensität, erzeugt kurzlebige Intermediate in so hoher Konzentration, dass sie durch ihre optischen Absorptionseigenschaften nachgewiesen werden können. Mit einer zeitabhängigen Messung der Absorptionsänderung kann die Relaxation des Systems beobachtet werden. Dadurch sind Informationen zum Beispiel über Reaktionsmechanismen und Geschwindigkeitskonstanten der Elementarschritte photochemischer Reaktionen zugänglich.
Besonderheiten der Differenzspektroskopie
Messprinzip
Heutzutage werden üblicherweise Pulslaser zur Probenanregung verwendet. Diese liefern hohe Lichtintensitäten in sehr kurzen Zeitintervallen. Die Signalaufnahme erfolgt mit einem Digitaloszilloskop, das die Spannung an einem Photomultiplier abgreift. Auf diese Art sind Zeitauflösungen im niedrigen Nanosekundenbereich zugänglich.
Foto: TA-Spektrometer LP920 der Firma Edinburgh Instruments mit Surelite Laser-System
Literatur
- R.G.W. Norrish, G. Porter
Chemical reactions produced by very high light intensities
Nature 164 (1949) 658. - B.A. Thrush
The genesis of flash photolysis
Photochemical & Photobiological Sciences 2 (2003) 453 - 454.